Wenn die Demokratie Venezuela küsst, drei Beispiele

Sonntag, 13. August 2017



(zas, 13.8.17)
„Wir haben Optionen für Venezuela, einschliesslich einer militärischen“
Da sagt also einer, dass „wir“ auf der ganzen Welt aktiv sind (er meint mit „wir“ das US-Empire), aber erst recht im Hinterhof: „Venezuela ist nicht weit weg, und die Leute leiden und sterben. Wir haben viele Optionen für Venezuela, einschliesslich einer militärischen, falls nötig.“ Und nein, mit dem Maduro werde er telefonieren, „wenn die Demokratie wieder hergestellt ist“, nicht vorher, wie der ihm angeboten hat.  Nun ist Donald Trump ja nicht irgendwer. Aber was herrscht gestern und heute in „unseren“ Medien vor? Klar doch, wie schlimm die chavistische Diktatur ist.
Vielleicht rafft sich mal eine Medienleuchte auf, um mitzuteilen, dass der Maniac im Weissen Haus nicht wirklich für voll genommen werden sollte (im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner in Pjöngjang, versteht sich). Und das wär’s dann gewesen mit der „Kritik“. Nun, die keine special forces  werden morgen schon das star bangled banner in Caracas hissen. Und doch tut man Trump etwas Unrecht: Die USA setzen in Lateinamerika vermehrt auf die militärische Karte. Sie bauen ein modernisiertes Militärbasensystem im Südkontinent auf; ihre nach dem 2. Weltkrieg verschrottete IV. Flotte droht seit 2008 wieder vor lateinamerikanischen Küsten, mit Schwergewicht – wie erstaunlich! – vor dem Amazonasgebiet, also nicht weit weg von Venezuela; „Militärmanöver“ jagen sich. Aber besser möglichst verdeckte Einsätze befreundeter Paramilitärs, vielleicht mal von Lakaientruppen aus Nachbarländern. Das erklärt übrigens auch die fast einhelligen Reaktionen aus lateinamerikanischen Hauptstädten wie México oder Bogotá auf Trumps Äusserungen, die plötzlich das Prinzip der venezolanischen Selbstbestimmung entdecken. Sie alle wissen, wie verhasst die Yanquís, go home sind.

Wirtschaftskrieg der CS

Trump kindisch vorgetragene Äusserungen können durchaus in eine alte US-Strategie passen, sich selbst als unberechenbaren Weltrowdy zu präsentieren, den man besser nicht reizt. Sie machen auf jeden Fall deutlich: Venezuela is out, got it? Das hat z. B. die CS mitgeschnitten, wie das auch da und dort in CH-Medien kurz rapportiert worden ist. Bloomberg berichtete etwas ausführlicher über ein CS-Memo vom 7. August. Die Bank untersagt Beteiligung am Handel bestimmter Bonds der staatlichen Ölgesellschaft Pdvsa und der Regierung. Sie will auch den Geschäftsverkehr mit dem Privatsektor überprüfen, um ja keinen „Reputationsschaden“ zu nehmen. Im Memo steht: „Angesichts des politischen Klimas und der Handlungen der jetzigen Regierung, wollen wir sicher stellen, dass die Credit Suisse niemandem Mittel zur Verfügung stellt, um die Menschenrechte der venezolanischen Leute zu verletzen.“ Credit Suisse hat „keinen Appetit darauf, der Republik von Venezuela Mittel zur Verfügung zu stellen“, zitiert Bloomberg weiter. „Jetzige Regierung“ … dann kann sich das sonst wohl eher auf formale Korrektheit eingestimmte „reputational risko office“ der CS auch gleich das „Bolivarisch“ im offiziellen Namen der Republik schenken. Mit der erhofften künftigen dürfte das komische Adjektiv verschwinden.
Der Kontext sind, von Bloomberg und den venezolanischen Medien, auch den rechten, offen ausgesprochen, die US-Sanktionen gegen laufend mehr chavistische FunktionärInnen. Dabei geht es natürlich nicht, wie etwa im Fall von Präsident Maduro, um das dumme Geschwätz vom Einfrieren halluzinierter Konten in den USA, sondern darum, dass weder US-Gesellschaften noch ausländische, die Geschäftsbeziehungen in die USA haben, mit Pdvsa oder Regierungsinstanzen, mit denen die Sanktionierten zu tun haben, verkehren dürfen. Maduro als Staatschef muss z. B. neue Ölförderverträge absegnen. Wir haben es also mit einem weiteren Ausschnitt aus dem zu tun, was bei „seriösen“, also gleichgeschalteten ExpertInnen scheinbar nur Lachanfälle auslöst: dem Wirtschaftskrieg. Mit den tiefen Ölpreisen und einer zunehmenden Finanzblockade ist Pdvsa natürlich sehr interessiert an Umschuldungen von Anleihen – das soll verhindert werden.
Auch Bloomberg stellt, wie andere Medien, die CS-Entscheidung als „Sieg für die venezolanische Führung der Opposition dar, die Wallstreet-Banken gedrängt hat, Maduro keine Rettungsleine  zuzuwerfen, und ein Kampagne gegen Goldman Sachs Assets Management geführt hat, nachdem diese jetzt von Credit Suisse verbotene Wertpapiere erworben hat.“  Eine Art Trostpreis für die Putschrechte, die zusammen mit ihrem US-Patron anlässlich der Wahlen vom 30. Juli zur Konstituante eine klare Niederlage eingefahren hat, eine Niederlage, die sie jetzt dazu bringt, sich für die Gouverneurswahlen vom kommenden Dezember einzuschreiben. Wahlen, die übrigens von just jenem Wahlrat organisiert werden, der doch gerade den „Wahlbetrug vom 30. Juli“ organsiert hat. Eine weitere kleine Ironie, die bis dato den hiesigen medialen Demokratierecken entgangen ist. (Auch die UBS will laut Bloomberg über ihre Venezuela-Bücher.)

Mercosur – die freiheitliche Erpressung
Mercosur-Treffen vom 5. August.
 Aber nicht nur am Paradeplatz, auch in lateinamerikanischen Metropolen stärkt sich das Engagement für Demokratie und Menschenrechte. Letzten 5. August suspendierten die Aussenminister des Mercosur (darunter zwei Putschregimes: das von Paraguay und das von Brasilien) die Mitgliedschaft Venezuelas definitiv. Der Entscheid hat natürlich auch stark mit dem durch Trumps America-First-Rhetorik beflügelten Eifer zu tun, mit der EU ein von Venezuela bekämpftes Freihandelsabkommen abzuschliessen. Da auch sein weit rechts stehender Aussenminister Nin Novoa beteiligt war, geriet der uruguayische Präsident Tabaré Vázquez in die Kritik namhafter Teile des ihn tragenden Bündnisses Frente Amplio. Vázquez begründete im Onlineportal Búsqueda die Unterordnung seiner „fortschrittlichen“ Regierung unter das Imperiumskommando, nachdem sie dieses in letzter Zeit eher ein wenig auszubremsen versucht hatte. Er gab Folgendes zu bedenken: „Was passiert mit Uruguay, wenn es sich im Mercosur weiter intransigent zeigte? Und wenn sie Uruguay vom Mercosur isolieren? Es gibt, sagen wir, keine Regelung, die die anderen Länder anführen könnten, um Uruguay zu isolieren, aber von einem Handelsstandpunkt aus können sie verschiedene Massnahmen ergreifen, die Uruguay schädigen. Und wie viele Arbeitsplätze können so verloren gehen? Und wenn es Aktionen gibt, die die uruguayischen Arbeiter, die uruguayischen Unternehmer, das Land allgemein schädigen könnten? Ah, ich muss das sehr gut bedenken. Mit dem Herzen in der Utopie, aber mit den Füssen auf dem Boden.“