HSBC: too big to fail, too big to jail

Freitag, 4. Januar 2013


(zas, 4.1.13) Eine Begebenheit, die sich am 11. Dezember 2012 zutrug, verdient es, auch hier gewürdigt zu werden. Der britische Bankriese HSBC erhielt von den US-Justizbehörden eine Busse von über $1.9 Mrd. Es handelte sich um die höchste bisher ausgesprochene Busse, was in den Medien auch gross hervor gestrichen wurde. So gross, dass meist der Grund der Busse etwas in den Hintergrund trat. Natürlich sind weder das Bestaunen der Busse noch das Kleinschreiben ihrer Gründe berechtigt.
Am 17. Juli 2012 veröffentlichte das Permanent Subcommittee on Investigations des US-Senats unter der Leitung von Carl Levin den Bericht „U.S. Vulnerabilities to Money Laundering, Drugs, and Terrorist Financing: HSBC Case History“. Gleich auf den ersten Seiten ein netter Hammer: Die HSBC-Niederlassungen haben es „unterlassen, jährliche Banküberweisungen von $60 Billionen zu überprüfen, von Kunden in Ländern, die von der HBUS [US-Filiale der HSBC] als geringeres Risiko [für Geldwäscherei] klassifiziert werden“ (S. 8). Och. $60 Billionen. (Doch, du hast richtig gelesen, auf Amerikanisch trillions),  ungefähr die globale jährliche Wirtschaftsleistung. Aus Ländern mit „geringerem Risiko“ wie etwa Mexiko...

Dem Bericht zufolge hat die HSBC Gelder von mexikanischen Drogenkartellen gewaschen; Geschäfte mit der saudischen Al Rajhi-Bank getätigt, die nach Unterlagen der Senats-Subkommission und der von ihr konsultierten US-Geheimdienste zum engen Finanzkreis der al-Kaida gehört; Umgehungsgeschäfte für mit US-Sanktionen belegte Regierungen wie jenen von Kuba, Iran und dem Sudan organisiert; russischen Mafiosi ihre schmutzigen Traveller Checks gewaschen (eine halbe Million pro Tag) u.v.m. Systematisch, wie der Bericht nachzeichnet, hat die HSBC dafür die gesetzlich bindenden Vorschriften gegen Geldwäscherei ausser Kraft gesetzt.
Wie geht so was? Easy. Erst brauchst du eine Korrespondenzbank in den USA, damit du dort Geld aus deinen Finanzinstituten in anderen Ländern waschen kannst. Eine Korrespondenzbank in den USA ermöglicht dem ausländischen Geldinstitut (im konkreten Fall oft den HBSC-Niederlassungen in anderen Ländern) u. a., den Dollar-Zahlungsverkehr abzuwickeln, Wertpapiere in Dollars einzulösen oder US-Banknoten in die oder aus den USA zu verschieben. Dafür hat die HSBC ihre US-Niederlassung, die HBUS. Und dann, streue das institutionelle Wissen um kriminelle Aktivitäten so auf deine verschiedenen Niederlassungen und Abteilungen, dass daraus ein offizielles Unwissen wird. Vier Beispiele dazu:

1. Sigue Corporation
Die mexikanische HSBC-Filiale, die HBMX, zählte zu ihren Kunden die US-amerikanische Sigue Corporation, darauf spezialisiert, Geld aus den USA nach Mexiko und Lateinamerika zu überweisen. Diese Sigue schloss mit den US-Justizorganen im Januar 2008 ein sogenanntes deferred prosecution agreement ab (DPA, Abkommen über ausgesetzte Strafverfolgung). Ein wunderbares Werkzeug der US-Justiz, dieses DPA. Es kommt seit Jahren unweigerlich zum Einsatz, wenn eine grössere Bank wegen Drogengeldwaschen oder anderen kriminellen Aktivitäten Probleme bekommt. Der Deal besteht in einem Geständnis der Bank, nicht genug gegen das Geldwaschen unternommen zu haben, dem Versprechen, sich in Zukunft zu bessern und einer Busse statt eines Verfahrens – mit einer Probezeit von ein paar Jahren. Sigue hatte allein von 2003 bis 2005 „Dutzende von Millionen von verdächtigen Finanztransaktionen zugelassen“, auch von Fonds, die von „Undercover-Mitgliedern von US-Strafverfolgungsbehörden als Drogenhandelserlöse bezeichnet worden waren“, zitiert die Subkommission aus dem DPA (S. 86). Well, „Sigue gab ihr Versagen bei der angemessenen Kontrolle ihrer Agenten zu“, werden wir im folgenden Satz aufgeklärt.
Sigue hatte ein Konto bei ihrer mexikanischen Filiale HBMX und überwies über deren Konto bei der HBUS allein von Januar bis Dezember 2007 $485 Mio. nach Mexiko. HBMX führte 2008 nach einem Emailverkehr zwischen ihr und der Londoner Zentrale ihre Geschäftsbeziehungen mit Sigue fort (trotz Berichten über die Narcogelder der Sigue in spezialisierten Medien). HBUS begann erst nach einer Intervention der US-Bankenaufsicht OCC (Office of the Comptroller of the Currency) ihre Sigue-Beziehungen „abzuklären“, da sie, wie die Senats-Subkommission einfühlsam mitteilt, „vom Informationsaustausch zwischen HSBC Group [in London] und HBMX nichts wusste“ (S. 88). 2010 stellte das OCC, fest, dass HBUS weiter mit Sigue geschäftete. Diese und andere Narcoverstrickungen der HBSC „zeigen“, so die Subkommission, „ein Fehlen regelmässiger Informationsvermittlung und koordinierter Massnahmen gegen die Geldwäscherei zwischen HBUS und HBMX, um gemeinsame Probleme der Bekämpfung der Geldwäscherei anzugehen“ (S. 91).

2. Puebla-Wechselstube
HBMX/HBUS hatten auch eine Geschäftsverbindung mit der ominösen Wechselstube Puebla, die im Fall der Wells Fargo/Wachovia-Bank als Finanzorgan des Sinaloa-Kartells bekannt wurde. Wachovia/Wells Fargo hatte $378.4 Mrd. von Puebla ohne die minimalsten gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen gegen Geldwäscherei bezogen, in vier Jahren bis 2007. Der Betrag entsprach fast einem Drittel des mexikanischen BIP von 2007. Wachovia, die durchgehend eine beachtliche kriminelle Energie an den Tag gelegt hatte, war selbstredend in den Genuss der PDA-Behandlung gekommen (Wall Street: too big to fail im Drogenhandel, Correos 163, September 2010). Ihr Puebla-Konto war im Mai 2007 beschlagnahmt worden. HBMX aber schloss ihr eigenes Puebla-Konto erst, als im November 2007 die mexikanische Staatsanwaltschaft mit seiner Beschlagnahmung drohte. Die Zeit nutzten HBMX und Puebla, um noch $7.5 Mio. aus dem Wachovia-Konto der Puebla ins Trockene zu bringen. Zwar hatte HBUS ihr Puebla-Konto noch im Mai 2007, gleich nach dem Auffliegen der Wachovia-Deals, suspendiert, unterliess es aber, wie sich Jack Lang, HBUS-Chef für Geldwäschereifragen, ausdrückte, HBMX von der „DEA-Beschlagnahmung oder der Wachovia-Schliessung der Puebla-Konti“ oder der Suspendierung des HBUS-Puebla-Kontos zu informieren (Senatsbericht, S. 82). Was also konnte HBMX dafür, dass das Sinaloa-Kartell ihre Dienste noch für ein paar Monate in Anspruch nahm?

3. Cayman Islands

Im Steuerparadies der Cayman Islands betrieb HBMX eine Briefkastenfirma mit zehntausenden von Dollarkonten, die sie über ihr Korrespondenzkonto bei der HBUS abwickelte. Von 15 Prozent der KontoinhaberInnen hatte HBMX gleich gar keine Identifzierungsangaben. Während Jahren drückten sich HBMX und die Londoner Zentrale um die Implementierung von Antigeldwasch-Praktiken, die ein reformiertes mexikanisches Gesetz für Offshore-Konti vorschrieb. Dies ermöglichte z.B. den Kauf von Narco-Flugzeugen bei der Cabello Air Fright Inc., domiziliert natürlich in Miami (auch dies eine Parallele zum Wachovia-Fall). „Die Dokumente und andere vom Subkomitee geprüfte Unterlagen enthalten bis vor kurzem keinen Hinweis darauf, dass HBMX je HBUS über ihren Cayman-Zweig oder die über die Korrespondenzkonti der HBMX bei der HBUS abgewickelten Cayman-Konti in US-Dollars informiert hätte“ (S. 92). Sehr zum Frommen etwa jener Steuerflüchtlinge, die ihr Geld via Cayman Islands vor „repressivem“ Staatszugriff schützten. Waren Leaming, Vizechef der HSBC Group Compliance, hatte dafür volles Verständnis: „Da das mexikanische Steuersystem relativ abschreckend ist (weltweites Einkommen), existiert eine grosse Nachfrage nach Offshore-Produkten“ (S. 94). Der Seelentherapeut steuerte diese Weisheit im Kontext der Vermeidung der Anpassung der Cayman-Konti an das mexikanische Gesetz bei.

4. Unbewusste Banknoten
HBUS brillierte im Banknoten-Business, in dem sie, eng mit der US-Notenbank Fed verbunden, physische Dollarnoten von ausländischen Finanzinstituten akzeptierte oder diese damit versorgte. Pro Jahr waren das $300 Mrd. So transportierte HBMX in den Jahren 2007 und 2008 mit $7 Mrd. mehr Dollarnoten in die USA (zur HBUS) als jede andere Bank in Mexiko, obwohl sie lang nicht die grösste war. Glücklicherweise hatte HBUS 2007 Mexiko als Land mit „geringem Risiko“ für Geldwäscherei eingestuft und so den Notenfluss erleichtert. Die erste diesbezügliche Warnung des mexikanischen Staates an die HBMX erfolgte laut dem Senats-Subkomitee schon im Februar 2007. In drei Jahren (2006-2009) akzeptierte HBUS Cash im Wert von $15 Mrd. von anderen HSBC-Filialen, ohne die einschlägigen Bestimmungen gegen die Geldwäscherei zu beachten.  Denn irgendwie hat das mit dem Infoaustausch wieder (nicht) geklappt: „Die Dokumente zeigen, dass sich sowohl HBMX wie auch HBUS der Dollarflut nicht bewusst waren, die HBMX via HBUS in die United States einführte, teilweise, weil HBUS für eine Dreijahresperiode von Mitte 2006 bis Mitte 2009 aufgehört hatte, die Banknoten-Konti [Cash-Konti] der HSBC-Filialen zu überprüfen … Als 2008 mexikanische und US-Regulatoren anfingen, Druck auf sowohl HBMX wie auch HBUS auszuüben, damit diese den riesigen US-Dollarstrom aus Mexiko erklären sollten und auch, ob darunter auch illegale Drogeneinnahmen wären, waren beide Banken überrascht“ (S. 105).  
Wie gesagt, Beispiele für die Herstellung organisierten Unwissens. Im Senatbericht wimmelt es davon.

Das Paukenschläglein
Dann also, am 11. Dezember 2012, das, was die einschlägigen Medien als Paukenschlag des US-Justizministeriums darstellten: das deferred prosecution agreement mit der HSBC. Der Chef der Kriminalabteilung des Ministeriums, Lanny A. Breuer, sagte an diesem Tag: „Von 2006 bis 2010 wuschen das Sinaloa-Kartell von Mexiko, das Valle-Kartell von Kolumbien und andere Drogenhändler mindestens $881 Mio. Einnahmen aus dem illegalen Drogenhandel via die HSBC Bank USA. Diese Händler mussten sich dafür keine grosse Mühe geben. Sie pflegten manchmal an einem einzelnen Tag Hunderttausende von Dollars in Cash auf ein einzelnes Konto einzuzahlen und benutzten dafür Schachteln, die exakt auf die Grösse der Schalterfenster in den Niederlassungen von HSBC Mexiko zugeschnitten waren. Insgesamt verfehlte es HSBC Bank USA, $670 Mrd. Transfers von HSBC Mexiko zwischen 2006 und 2009 zu prüfen“.
Justiz in A(u)ktion

Im Kommuniqué des Justizministeriums vom selben Tag ist vor allem davon die Rede, wie toll die Justiz funktioniere. Man sucht hier wie im Statement von Breuer vergebens nach Angaben wie jener über die $60 Billionen „ungeprüfter“ HSBC-Banküberweisungen im Jahr oder nach einem Wort zu den HSBC-Deals mit den mutmasslichen al Kaida-Financiers. Platz darf dafür die Umgehung der US-Sanktionen gegen unbotmässige Regierungen einnehmen. Für Breuers Stellvertreterin Loretta Lynch „macht das historische Abkommen von heute, das die grösste je in einer Geldwäscherei-Untersuchung Busse ausspricht, klar, dass alle UnternehmensbürgerInnen, unabhängig von ihrer Grösse, für ihre Aktionen zur Rechenschaft gezogen werden müssen“. (Das mit den „UnternehmesbürgerInnen“ bezieht sich auf die noble Sichtweise der US-Justiz, wonach Unternehmen über die gleichen individuellen Rechte verfügen wie die BürgerInnen. Deshalb darf ihr Meinungsäusserungsrecht etwa nicht mit Limiten auf ihre geheimen Wahlkampfspenden beeinträchtigt werden.) Queens-Bezirksstaatsanwalt Richard A. Brown verstieg sich zur Behauptung: „Kein Unternehmen sollte sich als zu gross dafür halten, den Folgen aus der Beihilfe an internationale Drogenkartelle zu entgehen.“
Da wiehern die Hühner. Das Abkommen über die für eine Probezeit von 5 Jahren „ausgesetzte“ Strafverfolgung beinhaltet genau das Gegenteil. Niemand vom Kader ist auch nur für eine Minute eingesperrt worden, kein einziges Privatkonto der Verantwortlichen wird beschlagnahmt, die HSBC als solche wird nicht angerührt. Aber halt, da ist doch diese gigantische Busse/Beschlagnahmung, die „unsere“ JournalistInnen in ehrfürchtiges Staunen versetzt! Sie beträgt leicht mehr als einen durchschnittlichen Monatsgewinn des HSBC-Jahresgewinns von 2011 in der Höhe von $21.9 Mrd. Und dürfte nur einen kleinen Bruchteils der HSBC-Gewinne aus ihren illegalen Geschäftspraktiken darstellen. Die „New York Times“ bemerkte im Editorial vom 11. Dezember (Too big to indict) dazu: „Aber auch grosse Finanzvergleiche sind klein im Vergleich zur Grösse wichtiger internationaler Banken. Wichtiger noch, sobald juristische Konsequenzen als off limits gelten, werden Bussen und Beschlagnahmungen nur zu weiteren Unternehmenskosten, ein auf dem Weg zum Gewinn einzuberechnender Risikofaktor.“
Diese besseren Abschreibungsgebühren sind explizit darauf angelegt, dass sie nicht wehtun. Der „Guardian“ berichtete am 11. Dezember 2012, an der Pressekonferenz des US-Justizministeriums sei Assistenz-Justizminister Breuer mit der Frage bedrängt worden, warum die HSBC-Verantwortlichen straffrei ausgingen.  Das Department habe, so zitiert das Blatt Breuer, „kollaterale Schäden“  einer allfälligen Strafverfolgung oder eines  Lizenzstopps für HSBC beachten müssen. „Hier und heute müssen wir einbeziehen, dass Unschuldige sehr grosse Folgen tragen, wenn man eine Entscheidung trifft … Ich denke, niemand sagt, HSBC war der Drahtzieher beim Schema“, meinte Breuer, sondern ihre „unglaublich laxen“ Überprüfungen seien zu beanstanden. Die alte Erpressungsformel too big to fail, ergänzt mit dem too big to jail, wie das die NYT in ihrem Editorial sagte. (Aus dem Bericht der Senats-Subkommission lässt sich im Übrigen ersehen, wie die HSBC  ihre „unglaublich laxen“ Kontrollmethoden gegen alle Anfechtungen von innerhalb und ausserhalb ihrer Reihen über die Jahre aufrecht gehalten hat.)

Seltsame Welt
„Eine Anklage wegen Geldwäscherei oder ein Schuldbekenntnis würde faktisch das Todesurteil für die Bank darstellen. So etwas könnte die Bank von gewissen Investoren wie Pensionsfonds abschneiden und sie letztlich die Operationslizenz in den USA kosten, sagten RegierungsfunktionärInnen“. So die NYT in einem Artikel vom 10.12.12. Wir wissen jetzt, was es mit Breuers „Unschuldigen“ auf sich hat. Selbst in seiner per DPA „abgemildeter“ Form sträuben sich in Washington bei der Vorstellung dieses Horrorszenarios die Haare. Der gleiche NYT-Artikel weiss denn auch über die Vorgeschichte des DPA: „Laut zur Sache befragten Funktionären haben Funktionäre des Finanzministeriums und Regulatoren der Federal Reserve  und des Office of the Comptroller of the Currency trotz des vom Justizministerium vorgeschlagenen Kompromiss auf mögliche Probleme mit einer aggressiven Vorgehensweise hingewiesen. Die Regulatoren haben, vom US-Justizdepartment um ihre Meinung gefragt, warnend auf Auswirkungen in der breiten wirtschaft hingewiesen.“
Straffreiheit ist nicht genug, besser wäre, man hätte nie etwas gesagt. Nur in diesem internen Diskussionszusammenhang macht eine doch unglaubliche Passage im Communiqué des Justizministeriums Sinn. Sie besagt, die HSBC sei „einverstanden ist, die Boni-Konmpensation für ihre wichtigsten Kader während der 5-Jahresperiode des DPA teilweise aufzuschieben.“  Man erbleicht vor Justitia: fünf Jahre lang einen Teilaufschub! Es ist eine Art Freud’scher Fehler des Ministeriums, der uns einen Blick auf die eigenartige, reale Welt zwischen big bank und imperialer Regierung ermöglicht.
60-100'000 Tote im US-„Drogenkrieg“ in Mexiko, die unzähligen Ermordeten im globalen Krieg gegen den „fundamentalistischen Terrorismus“ – ein Klacks, wenn droht, dass Pensionsfonds nicht mehr in die Bank investieren. Im Operationsmodus der Terrorökonomie (und ihrer Justiz) würde ein solcher Wettbewerbsnachteil als Wirtschaftskrise auf „Unschuldige“ abgewälzt.

Der falsche Staatsanwalt
Zu wenig beachtet wird ein Bericht, auf den mich ein HSBC-Artikel von Tom Burghardt gebracht hat. In U.S. probe of HSBC tangled up in bureaucracy, infighting vom 26.9.12 schreiben die Reuters-Jornalisten Carrick Mollenkamp und Brett Wood, wie in 2010 Staatsanwalt William Ihlenfeld, Staatsanwalt in West Virginia, ein Verfahren gegen HSBC wegen 175 fällen von Geldwäscherei einleiten wollte. Ausgangspunkt dieser Untersuchung war laut Reuters „der Gebrauch von HSBC-Konti durch einen Arzt, um an einen Medicare-Betrug gekoppelte $3 Mio. zu transferieren (…) Aber als die Behörden genauer hinschauten, erkannten sie, dass dieser Fall bloss ‚die Spitze des Eisbergs’ war, wie Ihlenfeld schrieb.“ Der Bericht, der das Ganze in Begriffen von Zuständigkeitsgerangel verschiedener Zweige der Strafverfolgungsbehörden beschreibt, enthält trotz dieser möglichen Entsorgungstaktik interessante Hinweise auf die „Arbeitsweise“ anderer, direkter mit dem Justizministerium koordinierter Untersuchungsorgane wie der Staatsanwaltschaft von New York City. Reuters: „In einer scharfen Bemerkung an die Adresse der Brooklyn-Untersuchungsorgane schrieb Ihlenfeld, dass sie nicht realisiert hatten, dass HSBC ein Verarbeitungszentrum für grosse Cash-Lieferungen ein paar Schritt entfernt von ihren Büros betrieb, bis sie von den KollegInnen aus West-Virginia bei einem Vermittlungsgespräch darauf hingewiesen wurden“.
Während Ihlenfeld seit mindestens Dezember 2008 am Fall dran war, „schrieb der Top-Staatsanwalt von Brooklyn am 24. März 2010, dass ihre Untersuchung ‚soeben beginne’. Anyway, Ihlenfeld wurde aus den Untersuchungen, die Lanny Breuer auf sein Team konzentrierte, rausgeworfen. Seine Anklage gegen HBSC wegen Geldwäscherei wurde nie erhoben.

al Kaida-Connection?
Der Senatsbericht hatte neben der Narco-Connection und den Umgehungsgeschäften von US-Sanktionen einen weiteren Schwerpunkt: das Banknoten-Geschäft der HSBC mit der saudischen al Rajhi-Bank und zwei Finanzinstituten in Bangladesh, die zum inneren Kreis der al Kaida-Finanzzirkel gehören sollen. Die USA hatten das saudische Institut kurz nach 9/11 auf eine schwarze Liste gestellt. HSBC hatte dieses Business trotz auch interner Warnungen vor möglicher al Kaida-Verwicklung jahrelang am Laufen gehalten.
Interessanterweise verliert das Justizministerium darüber kein Wort, sicher nicht in seinen Communiqués und Stellungsnahmen, vermutlich auch nicht im DPA selbst. Das ist nicht ganz klar, da davon nur ein Teil ins Netz gestellt wurde. Etwas überraschend für eine Administration, die sonst nicht müde wird, den islamistischen Teufel an die Wand zu malen bzw. als Anlass für immer mehr Kriege in verschiedenen Kontinenten zu nehmen. Ich hoffe, demnächst eine kompetente Analyse zu diesem Bereich lesen zu können.

Offene Fragen
Der federführende Mann im Justizdepartment, Lanny A. Breuer, begründete sein „sanftes“ Vorgehen bzgl. HSBC mit der Aussage: „HSBC war ein wichtiger Player“ beim Drogengeldwaschen, „aber sie sind nicht das Sinaloa-Kartell“ (Guardian, 11.12.12). Das ist richtig. Beide sind Teil des realen Narco-Netzwerkes. Natürlich sind die Verschwörungsvorstellungen vom Hintermann in der Bankzentrale oder im Geheimdienst, der den globalen Drogendeal leitet, falsch. Und natürlich sind Bankzentralen, Geheimdienste und Kartelle aufs Engste miteinander verbunden. Sie funktionieren kapitalrational, mörderisch, kriegstreibend. Diese Logiken wären ins Zentrum der Debatte zu stellen, anhand der konkreten Dynamik des Staatsterrorismus und der an paramilitärische Warlordsformationen erinnernden Kartelle in vielen Ländern z.B. Lateinamerikas und der Karibik.
Bank, Kartell - what's the difference?

Ein interessanter Umstand anlässlich der Abwicklung der HSBC-„Affaire“ ist, dass die prinzipielle Straffreiheit für global players, wie sie die Serienverfertigung von DPAs darstellt, auf soviel Unmut stösst, dass sie an Pressekonferenzen des Justizministeriums oder in der „New York Times“ geäussert wird. Ob dies am business as usual etwas ändern wird, ob ein verfeinertes Management für derartige „delikate“ Bereiche eingeführt werden muss, ist offen.




PS 1:
Zur Gründungsgeschichte von HSBC bringt Wikileaks einen Hinweis auf den ersten Opiumkrieg des britischen Empire gegen China: „Nachdem die Briten Hongkong im Gefolge des Ersten Opiumkriegs als Kolonie etabliert hatten, verspürten lokale Händler [gemeint des Empire] das Bedürfnis, nach einer Bank, um den wachsenden Handel zwischen China und Europa (zu dessen Waren auch das Opium zählte) zu finanzieren. Sie gründeten die Hongkong and Shanghai Banking Corporation (1865).“ Anlass für die beiden als Opiumkriege bekannt gewordenen britischen Kolonialisierungsoffensiven gegen China war das Vorgehen der dortigen Behörden gegen die aus Europa eingeschleppte „Mode“, Opium mit Tabak zu konsumieren. Der Freihandel ging vor:  Aufgrund der Massenimporte von Seide und Tee bedurfte die britische Handelsbilanz dringend der Defizitneutralisierung durch den von der East Indian Company kontrollierten Handel von Opium nach China. Ein Angestellter der Company hatte früher schon ein Standardwerk für den Freihandel geschrieben: „Der Reichtum der Nationen“. Er hiess Adam Smith.
So wie die HSCB als Bank für den Opiumhandel der East Indian Company fungierte, so dürfte sie bis heute der wirtschaftsheoretischen Fundierung auch des Drogenfreihandels verpflichtet sein.
PS 2:
Der CEO der HSBC von 2003 bis 2006 hiess Stephen Green. Danach war er VR-Präsident. Heute ist er Handelsminister der Regierung Cameron.

Korrektur-Nachtrag:  
Das Justizministerium hat, anders als oben dargelegt, in seinem DPA eine Gesamtsumme der elektronischen Geldüberweisungen ohne Kontrollmechanismen der HSBC angegeben. Im Statement of Facts, dem Anhang A des ansonsten nicht ins Netz gestellten PDA, gibt HSBC Folgendes zu: „Unterlassung, über $200 Billionen elektronischer Überweisungen von 2006 bis 2009, adäquat zu kontrollieren“ (S. 4).